Mittlerweile selbstständig als Webentwickler, Programmierer und Dozent, schreibe ich natürlich auch dort immer mal wieder. Beiträge zum Thema Webdesign und insbesondere zum Content Management System Joomla, wo ich mittlerweile zum Fachmann avanciert bin. Da auch dieses eine Seite von mir ist, hier Texte zu diesem Themengebiet.
Und mehr über diese Seite von mir gibt es hier:
(zuerst erschienen auf > Joomla Aktuell)
Barrierefreiheit - da scheiden sich gern die Joomlafronten. Nicht nur die. Das ganze Internet ist in Aufruhr, kaum das dieses Wort fällt. Da wurde vor einigen Jahren einem ganz plötzlich die gute heile Internetwelt empfindlich zerstört, in dem man darauf aufmerksam gemacht wurde, das es auch Menschen gibt, die benachteiligt sind. Die das Internet nicht so benutzen können, wie unsereins.
Da wurden einem tatsächlich erzählt, es gäbe blinde Menschen im Internet!
Sehbehinderte. Okay. Aber Blinde? Wie soll das denn gehen? Wer nix sieht, sieht eben nix. Was interessiert mich das als Webdesigner? Schwarze Schrift auf schwarzem Grund oder was?!
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Der geneigte Leser mag jetzt hoffentlich mit einem Aufschrei reagiert haben. Oder mit zustimmendem Nicken. Beides ist theoretisch möglich. Ganze Mythen ranken sich mittlerweile um das Thema Barrierefreiheit.
Einfach die Tabellen weglassen, sagen die einen und fast alle glauben, dass das auch schon reicht. Das aber Tabellen, dort wo sie hingehören, auch benutzt werden sollen und sogar müssen, geht jetzt doch wieder so manchem zu weit. Es sind mir aber tatsächlich schon Menschen begegnet, die ernsthaft nachfragten, wie sie eine Tabelle über aktuelle Marktpreise von Äpfel und Birnen in DIVs packen könnten.
Werfen wir zuerst einen Blick auf die Barrieren: Wir glauben ja immer, es gibt nur Blinde Menschen. Es gibt auch noch welche, die im Rollstuhl sitzen. Das wissen wir auch. Aber was hat ein Rolli-Fahrer mit dem Internet zu tun? Nichts, verehrte Leserschaft - außer, das er es hin und wieder mal benutzt.
Es gibt eine Verordnung der Bundesregierung, genauer: sogar ein Gesetzt(!), dass Webseiten von behördlichen Seiten behindertengerecht zu sein haben!
Spätestens, wenn man mal versucht hat, das Bundesamt für Arbeit anzusurfen, weiß man zumindest, dass man als Nichtbehinderte diese Seiten nur unter erschwerten Bedingungen benutzen kann. Ich habe ernsthaft schon mal darüber nachgedacht, mich besonders behindert, so ganz offiziell, anzustellen, um die Behörde dahingegen zu verklagen. Eigentlich ein Wunder, dass das Arbeitsamt noch nicht abgemahnt wurde!
Aber zurück: es gibt also eine Verordnung, dass behördliche Seiten barrierefrei zu sein haben. Und es war zumindest mal kurze Zeit im Gespräch, kommerzielle Seiten ebenfalls mit einer solchen Verordnung zu belegen. Die Webentwickler von uns, die sich mit der Materie ein wenig beschäftigt haben, hätten dann einer ungemein starken Auftragslage entgegengesehen. Ebenso die Anwälte, die sich die Webseiten derer genauer angeschaut hätten, wo man sich nicht so genau mir ausgekannt hätte.
Doch leider ist der Kelch an den kommerziellen Webseiten vorbeigegangen und es gibt lediglich die Empfehlung, dass Firmenseiten entsprechend funktionieren sollten- Puh, nochmal Glück gehabt. Dann kann man ja bei den guten alten Tabellen bleiben. Sind ohnehin viel einfacher, als die doofen DIVs.
Also: was gibt's jetzt eigentlich zu beachten?
Es gibt blinde Menschen - das wissen wir schon. Es gibt Sehbehinderte in allen Stufen. Von ganz leichter Sehbehinderung, bis ganz schwerer. Es gibt Menschen, die haben keine oder kaum benutzbare Arme oder Hände. Es gibt Menschen, die sich nur mit dem Mund durch Webseiten bewegen können und andere, die nicht die Feinheiten besitzen, um mit einer Maus punktgenau zu landen. Es gibt geistig Behinderte, die durch die Komplexität komplizierter Webseiten einfach nicht durchsteigen. Es gibt Menschen, die sind des Lesens unkundig oder tun sich einfach nur schwer mit langen Texten. Und es gibt Menschen, die haben mehrere Behinderungen und sind somit mehrmals eingeschränkt.
Als Webentwickler ist das kaum noch zu bewältigen. Eine Website, die für alle Einschränkungen benutzbar ist, zu entwickeln, ist sauschwer!
Aber wir können mit bereits sehr einfachen Mitteln allen ein wenig entgegen kommen. Soweit, dass viele unsere Seiten benutzen können.
Ja aber!
Stimmt. Ein berechtigter Einwand. Gibt es eigentlich genügend Behinderte, dass sich dieser Aufwand lohnt? Eine offizielle Zahl lautet 10% der Bevölkerung ist entsprechend Behindert. - "Entsprechend" - weil jemand der am grauen oder grünen Star erkrankt ist, nicht unter der Behindertenquote fällt. Wer einfach nur alt ist und neue Brillengläser braucht, eine zunehmende langsame Auffassungsgabe bekommt aufgrund seines Alters motorische Einbußen in Kauf nehmen muss - fällt nicht unter der Gruppe der Behinderten. Zumindest nicht offiziell. Aber 10% bleiben offiziell. Und 10% von - wie hoch ist die Bevölkerungsrate Deutschlands? Europas? Der Welt?
Okay. Und was kann ich jetzt machen?
Mythus DIV ist auf jeden Fall schon mal falsch, um ausreichend barrierefrei zu sein. Man sollte zwar tatsächlich keine Tabellen zu Layout zwecken einsetzen, aber überall, wo Tabellen vorgesehen sind, gehören sie auch hin. Und ansonsten muss man sich einfach mal ein wenig bewusst machen, dass es für Behinderte eine Menge Hilfsgeräte gibt. Da gibt es die sogenannten Braille-Geräte - Geräte, die eine Website in Blindenschrift ausgeben. Also quasi vorlesen, was wir mit vieler bunter Grafik zusammengeschustert haben. Es gibt diverse Eingabehilfen und wer mit der Maus seine Probleme hat, der benutzt gern die Tastatur und vorgegebene Tastencodes.
Grafik die vorgelesen wird?
Genau. Grafik kann man nicht vorlesen. Wer nicht gucken kann, kann auch keine Grafik sehen. Ergo sind Webseiten, die auf Flash und reinen Grafikelementen aufbauen, kaum benutzbar für einen nicht unerheblichen Teil der Behinderten. Das gilt auch ganz besonders für Verweise, die ausschließlich mit Grafikelementen arbeiten. Aber jede Grafik hat ein ALT-Attribut. Erstaunlich wie wenige Webseiten das überhaupt benutzen und wie wenige davon, da was Sinnvolles reinschreiben. Aber genau über das ALT-Attribute im IMG-Tag kann man schon viel machen. Den reinen Layout-Grafiken schreibt man einfach nichts rein. Quasi eine natürliche Auslese, der rein schmückenden Grafik, die ein Blinder nicht sieht und ergo auch keine Information darüber benötigt. Aber die wichtige Grafik, die, die etwas an Informationen enthält oder vielleicht anklickbar ist, die sollte auch einen aussagekräftigen Text enthalten. ALT steht schließlich für Alternativ-Text. Und so ganz am Rande: Sollte aus unerfindlichen Gründen die Grafik nicht angezeigt werden können, dann wird anstelle der nicht vorhandenen Grafik der alternative Text ausgegeben. So können dann auch Nichtbehinderte problemlos die Website benutzen.
"Diese Grafik verzweigt zu einem PDF-Dokument, das eine mittelschwere Abhandlung zum Thema Joomla und Barrierefreiheit enthält." "Und diese Grafik zeigt Tim und Johann beim Schneemannbauen."
Hört sich doch viel besser an, als nichts. Oder?
Und zumindest kann sich ein sehschwacher Mensch was über das Motiv der Grafik vorstellen. Er weiß aber zumindest, welchen Zweck die Grafik hat und das da überhaupt eine ist.
Viele Webseiten haben ja heutzutage ein Validator-Icon für sauberen Code im Sinne des W3C. Bei den meisten Webseiten sollte man aber besser nicht darauf klicken. Dabei ist es oft gar nicht so schwer validen Code zu schreiben. Und wer das macht, kann schon mal locker 60 bis 70% Barrierefreiheit umsetzen. Denn sauberer Code hilft allen Hilfsgeräten und angepasster CSS-Dateien, die speziell von Menschen, mit Farbschwäche oder Kontrastarmut eingesetzt werden. Wenn wir einen neuen Browser, wie den Firefox, der ja sehr beliebt bei uns Webentwicklern ist oder auch den Opera benutzen, dann gibt es da sehr einfache Möglichkeiten, von außen eine Website zu verändern. Und damit meine ich jetzt nicht die Webentwickler-Tools des Firefox. Da gibt es die Möglichkeit besondere Kontraste für Webseiten grundsätzlich zu benutzen, da kann man die Schriftgröße problemlos verändern und vielerlei mehr. Selbst Windows bietet standardmäßig eine Lupe an. Was für uns eine nette Spielerei ist, ist für manche Menschen eine Notwendigkeit. Da die heutigen Browser so etwas mitbringen und die allermeisten Menschen mit Beeinträchtigungen auch wissen, wie ein Browser funktioniert, sind die noch vor wenigen Jahren als Nonplusultra designten dynamischen Schriftanpasser (größer/kleiner) oder gar unterschiedliche Breitenangaben mittlerweile verpönt und nicht mehr zeitgemäß.
Eine Schrift, die auch für normalsichtige Menschen erkennbar ist, macht schon mal viel Sinn. Und graue Schrift auf weißen Grund, sieht zwar nett aus, weil es nicht so oft vorkommt, aber selbst für mich ist das schon schwer zu lesen. Das weit benutzte dunkelrot auf schwarzem Grund ist völlig ungeeignet, auch weil es viele Menschen gibt, die Farbschwächen haben.
Ein wenig Überlegung beim Gestalten, sauberer valider Code, das ausnutzen der ALT-Attribute bei den IMG-Tags und insbesondere bei langen Navigationen, das Benutzen von Tatstaturkürzeln - und man hat schon eine Menge richtig gemacht. Wer mag, kann noch wichtige Inhalte per MP3 vorlesen, zumindest aber darauf achten, dass die wirklich wichtigen Texte kurz und knackig sind.
Nicht nur, weil seit der Pisa-Studie grammatikalische Probleme bei der Jugend bekannt sind, sondern weil zu lange Texte viele Menschen einfach überfordern.
Und wer Captchas einsetzt, sollte unbedingt welche nehmen, die auch vorgelesen werden können, denn die sind wirklich verdammt schwer zu entziffern. Was einerseits natürlich gewollt ist, kann hier sehr schnell zu einer absolut unüberwindbaren Barriere führen.
Na gut, aber wer soll das bezahlen?
Im Zeitalter der Geiz-ist-geil-Mentalität ist das eine berechtigte Frage. Allerdings gehört für mich das bestücken des ALT-Attributes mit sinnvollem Text zum guten Ton und validaten Code zu schreiben auch. Schwieriger wird es mit übernommenen Modulen und Komponenten, die doch immer wieder das W3C-Icon an den Rand der Verzweiflung bringen. Die anzupassen kann bisweilen sehr müßig werden und Hasstiraden per eMails an die jeweiligen Entwickler zu verschicken, bringt ja auch nicht wirklich was. Zumal nicht wenige Komponenten, etc. von gutmeinenden Schülern und anderen unbedarften Menschen entwickelt werden.
Einen Auftraggeber von der Mehrarbeit und somit erhöhter Kosten zu überzeugen ist nicht immer einfach - zumal man ja auch in einem Wettbewerb um die Gunst des Auftraggebers steht.
Aber ich meine auch, dass man als guter Webentwickler eine saubere Beratung machen sollte. Und wie viel Umsatzeinbußen bei nicht berücksichtigten 10% bedeuten können, sind meist ein ausreichendes Argument, um die Mehrarbeit zu sichern.