Es gibt Menschen, die sind im falschen Körper. Die einen werden als Man geboren und fühlen sich zeitlebens als Frau oder umgekehrt. Manchmal nimmt die Natur aber wesentlich bizarrere und merkwürdige Wege und erschwert so manchen Kreaturen ungemein das Leben.
In Wien lernte ich einen ... ja ... nennen wir ihn der Einfachheit halber zunächst - Menschen - kennen. Er sah aus wie ein Mensch, hatte alles, was ein Mensch braucht und sah eigentlich auch richtig gut aus. Er war ein kontaktfreudiger, vielseitig interessierter Mensch, der, soweit sich das beurteilen lässt, mit beiden Beinen im Leben stand.
Nur: er war kein Mensch. Zumindest definierte er sich selber nicht so. Er war ein Hund. Genauer: eine Hündin.
Nicht das falsche Vorstellungen aufkommen: Unsere Hündin spielte nicht eine Hündin. Jemanden der punktuell sich ein Kostüm anzieht, eine Maske aufsetzt, sein Fressen aus dem Hundenapf aufnimmt - und nach Ablauf einer bestimmten Zeit wieder Mensch ist. Jemand der es mag, von Zeit zu Zeit ein sogenanntes Petplay[i] zu machen. Petplay - eine, für manche skurril anmutende, aber doch freundliche Szene, die nicht gerade klein ist und unterschiedliche menschliche Tiere von Zeit zu Zeit hervorbringt und gleich eines Rollenspiels diese verkörpern.
Fifi, so nennt sich unsere Hündin, ist ein Menschenhündin. Als Menschenhündin geboren, spielte sie nicht die Hündin, war nicht über eine definierte Zeit eine Hündin, sondern immer eine Hündin. Immer. Jeden Tag, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Eine Hündin, die als Mensch leben muss und bei der oft genug die hündischen Gene durchkommen. Kein Petplay aus erotischen Gründen, sondern ein Human-Play aus sozial notwendigen Gründen.
Fifi hält sich gern dort auf, wo sie einfach sie selbst sein darf. Die Bizarre bei den noch Bizarreren, die sie aber einfach als das akzeptieren, was sie ist: Eine Hündin, eine Menschenhündin. Man trifft sie in der BDSM[ii]-Bewegung, genauso wie in Swingerklubs. Überall dort, wo Menschen sind, die Toleranz nicht nur aus dem Lexikon kennen. Dort sitzt sie dann. Meist .. naja, eben da wo Hunde sich aufhalten .. zu Füßen eines Menschenwesens, bellt Neuankömmlinge freundlich an und freut sich über jeden, der sie ein wenig krault.
Hunde machen in der Regel, was sie machen wollen und haben durchaus ihren eigenen Willen. Meist nicht so ausgeprägt wie bei Katzen, aber umso ausgeprägter bei Fifi, unsere Hundedame.
Viele Hunde haben eine ausgeprägte Ader dafür, ständig auf sich aufmerksam machen zu wollen - besonders Fifi. Glücklicherweise bellt sie aber einem nicht das Ohr zu, sondern hat inzwischen die Menschensprache so gut gelernt, dass sie lediglich in einer Tour quasselbellt. Man könnte den Hund ja knebeln, aber eine gewisse Angst vor dem Tierschutzverein schwingt da schon mit. Wir versuchten es mit der harmloseren Variante des Augenzubindens. Wenn Hund nichts mehr sieht, ist es vielleicht ruhig. Und siehe da, es wirkte. Allerdings beginnt man als Mensch schnell sich Sorgen zu machen, wenn das Tier die ganze Zeit schweigt. Dann doch lieber Rumgebelle und Zugelaberbell...
So eine ausgewachsene Hündin hat durchaus auch ihre Vorteile. So manch anderer vorwitziger Hund - meist eine Nervensäge- wird schnell von unserer Hündin in die Schranken verbellt. Manchmal streiten sie allerdings auch - zum Beispiel wenn Frauchen den Tierhund , dem Menschhund gegenüber vorzieht. Dann kann einem die Knurrerei schon ganz schön auf den Zeiger gehen. Davon abgesehen, ist so ein Hund aber ansonsten sehr pflegeleicht. Man braucht sich keine großen Gedanken in der Beziehung zu machen, da Hunde auf ihre Frauchen und Herrchen fixiert sind. Egal, wie sie behandelt werden. Eben wie im realen Leben.
Was rede ich! Fifi IST real! Es ist eben die Welt der Hündin.
Warum Hündin, werden Sie fragen, verehrte Leserschaft? Na, weil sie eben eigentlich eine Hündin ist. Es war eine Laune der Natur eine Hündin in Menschengestalt hervorzubringen und Mutter Natur setzte noch einen drauf, in dem sie die Hündin in einen männlichen Menschenkörper steckte. Fifi kann nun wirklich nichts dazu!
Es brauchte viele Gespräche und Gesprächsbells, um tatsächlich zu verstehen, dass dieses Wesen wie ein Hund fühlt und auch denkt. Obwohl es wie ein Mensch aussieht und spricht. Es ist schwer nachzuvollziehen und so mancher wird die ganze Zeit schon denken, "der gehört zum Psychiater"! Aber kennen Sie einen Psychiater, der einen Hund heilen kann? Ein Chirurg wäre da deutlich sinnvoller. Aber aus einem Menschen einen Hund zu machen - soweit ist die Chirurgie noch nicht.
Wäre Fifi gefährlich, würde sie andere Beißen oder andere schlimme Dinge tun, so würde ich Ihnen vielleicht recht geben. Vielleicht wäre es dann sinnvoll eine Therapie bei einer Tierpsychologin zu machen. Aber Fifi ist eine freundliche Hündin. Eine, die niemanden etwas tut. Und wo sollte es ein Problem sein, sie mal freundlich zu kraulen, während sie einem freundlich entgegen bellt? Warum müssen also Menschen gleich immer nach einem Fachmann der menschlichen Seele rufen, wenn etwas anders ist, als man bisher kannte? Warum kann ich nicht einfach akzeptieren, dass es so unendlich mehr noch neben mir selber gibt?!
Sowas kann einem Reich machen - an fantastischen Gedanken in wundervollen Welten und Blicke jenseits eigener Grenzen und Tabus. Und wissen Sie eigentlich, wie schön es ist, in die Augen einer Hündin zu schauen, wenn sie ganz Ganz sein darf?
[i] Petplay = Erotisches Rollenspiel, bei dem mindestens ein Partner die Rolle eines Tieres spielt (Wikipedia)
[ii] BDSM = Bondage - Disziplin / Domininanz - Submission / Sadismus - Masochismus