Wien ist eine wundervolle Stadt. Ich mag alte Bauten und besonders plastische Steinstatuen haben es mir angetan. Die alte Spanische Hofreitschule hat mich denn auch mächtig beeindruckt. Beinahe ehrfurchtsvoll wandelte ich durchs Gebäude. Die andere Seite mündete in den Heldenplatz. Ein Platz, auf dem unter anderem während des dritten Reiches 500.000 Österreicher Adolf Hitler zujubelten - ein Kapitel der österreichischen Geschichte, die bis heute noch nicht so ganz aufgearbeitet ist.
Eben dort findet gerade, wie jedes Jahr, die "Informations- und Leistungsschau des Österreichischen Bundesheeres" statt, aus Anlass des Nationalfeiertages am 26.10. Das Motto in diesem Jahr: "Schutz und Hilfe, Mensch und Technik".
Panzer, Hubschrauber, Düsenjets, mit Raketen und Kanonen, Waffen aller Art und die Bejubelung der Abschreckungswaffen - falls Österreich eines Tages mal von irgendjemanden angegriffen werden sollte.
Auch wenn es etwas befremdlich auf mich wirkt und der Düsenjet mit Bomben und Raketen unter den Tragflächen, mir alles andere als ein sicheres Gefühl vermittelt (auch wenn es hoffentlich Attrappen waren) - wenn die Österreicher es machen müssen, dann sollen sie es tun, schließlich bin ich nur Gast im Lande.
Was allerdings gar nicht geht - egal welches Land - ist, wenn Kinder mit diesen Waffen spielen. Wissend, dass es sich im Ernstfall um Tötungswaffen handelt, mochte ich kaum glauben, dass Kinder fröhlich durch die Zielanlage der Panzerabwehrwaffe schauten, in Panzern hinter der Abfeuerwaffenanlage die diversen Abzugsmechanismen spielerisch ausprobierten und so zielsicher an eine gewisse Technik- und Waffenbegeisterung herangeführt wurden.
So stellte ich den nächstbesten Uniformierten zu Rede, ob er es denn in Ordnung fände, dass Kinder mit Tötungswaffen spielen?
Der Rekrut, der sich mir denn auch als Rekrut vorstellte, meinte nur, dass strikte Order rausgegangen sei, dass Kinder nicht mit den Waffen spielen dürften, was sie ja auch nicht tun würden, sie schauten ja nur durchs Zielfernrohr durch. Meine Frage, ob er mit dem Anlegen einer Uniform automatisch das Hirn abgeben müsse, konnte er nur mit der Mitteilung beantworten, dass er doch nur ein Rekrut sei. Aber der Leutnant, der da stand - direkt neben den spielenden Kindern - der wäre zuständig.
Also ging ich zu dem Leutnant. Der aber sah auch keine spielenden Kinder.
Ich weiß ja nicht, was österreichische Leutnants unter spielende Kinder mit einem tonnenschweren Gerät verstehen. Vermutlich sind spielende Kinder mit einem festgeschraubten Gerät nur dann spielend, wenn sie es schaffen das Gerät von A nach B zu transportieren. Also fragte ich gleich nach seinem Vorgesetzten. Auf diese Art kam ich in den Genuss mit einem Major sprechen zu dürfen.
Nachdem ordnungsgemäß Meldung gemacht wurde über die Einwände eines Zivilisten, schob der den schwarzen Peter der Verantwortung zu den Eltern, denn deren Job ist es, die Kinder friedfertig zu erziehen. Außerdem auch mir, in dem er mir ebenfalls eine Faszination für die Tötungswaffen unterstellte, denn warum sonst wäre ich überhaupt auf dem Platz. Dass ich als ahnungsloser Tourist keine andere Wahl hatte, als ich durch die Hofreitschule lief, wurde mir nicht geglaubt. Dass Eltern unter Umständen überfordert sind, wenn Bratwürste, Clowns und Flugzeuge, die eigentlich bei allen Kindern eine gewisse Faszination ausüben, werben, stand natürlich nicht zur Diskussion. Auch nicht, wie all das mit der auch in Österreich heiß umstrittenen Debatte zum Verbot von sogenannten "Killerspielen" zusammenpasst.
Meine eindeutige Aussage, dass es sich im Ernstfall um Tötungswaffen handelt und der Hinweis, dass man das vielleicht auch einmal in einer Ausstellung zeigen sollte, wie Menschen in anderen Ländern unter Kriegen zu leiden haben - schließlich dienen die Waffen ja der Abschreckung, wie eindeutig mehrfach gesagt wurde - und nichts schreckt mehr ab, als sich die Gräuel eines Krieges bewusst zu machen - auch das wurde schließlich in die Verantwortung der Eltern gelegt. Das Bundesheer hat natürlich nur Gutes im Sinn. Schließlich müsse man dem Volk zeigen, welche grandiose Abschreckung Österreich hat.
Die einzige Abschreckung für einen potenziellen Feind ist die Tatsache, dass bei einem Angriff halb Europa aufsteht und darunter auch Atommächte wie Frankreich und Amerika sind. So gesehen könnte Österreich eigentlich locker jede Waffe abschaffen. Eine Abschreckung ist de facto damit nicht gegeben.
Nichts desto Trotz verabschiedeten sich der Major und ich per Handschlag und ich ging auf Empfehlung des Majors noch weiter über den Platz, um mir das technische Hilfsgerät für den Katastrophenschutz anzuschauen. Das fand ich leider nicht, statt dessen aber Patrouille laufende Soldaten, mit der Schusswaffe im Anschlag.
Ich stellte diese zur Rede. Schließlich handelte es sich um einen öffentlichen Platz, mit Zivilisten und - Kindern. Man müsse die ausgestellten Waffen schützen. Ich überlegte mir, was sie da wohl machen wollen, wenn einer mit einem Panzer wegfährt. Schließlich hatten sie keine Panzerfaust dabei. Außerdem wäre es dann doch sinnvoller da zu stehen, wo der Panzer steht und nicht am entgegengesetzten Ende.
Man müsse die gesamte Anlage schützen, falls irgendwelche gemeingefährlichen Demonstranten den Platz stürmen wollten.
Demokratie endgültig ade. Die einen dürfen Kindern die Faszination des Tötens nahebringen, die anderen werden erschossen, bevor sie aufbegehren können. Aber so sei es ja gar nicht. Wie denn aber sonst? Es gäbe ja auch welche mit Sprühdosen und bevor die jetzt da alles besprühen, müsste man schließlich eingreifen.
Wir befanden uns gerade am Rande des Platzes. Eigentlich schon außerhalb der eigentlichen Informationsveranstaltung. Also dort, wo die Mülltonnen standen. - Beim Besprühen einer Mülltonne erschossen!
Aber auch hier handelte es sich um einen jungen Rekruten, der das alles immerhin so lustig fand, dass er die ganze Zeit grinsend da stand und einen direkten Vorgesetzten, der nur die Schultern zuckte - Befehl ist schließlich Befehl. Immerhin verging dem Rekruten das Grinsen, als ich ihm sagte, dass es nicht lustig ist, wenn Menschen mit seiner Waffe erschossen werden. Und ausschließlich dafür ist sie gebaut. Denn was nützt eine Abschreckung, wenn man nicht gewillt ist, sie zu nutzen. Hoffentlich wird nicht mal versehentlich ein Kind getroffen. So wie in den Kriegsschauplätzen dieser Erde es jeden Tag geschieht.
Am Rande: Es gab mal in Österreich für Offiziere des kaiserlichen Heeres die höchste Tapferkeitsauszeichnung - den "Maria-Theresien-Orden - für "besonders herzhafte That" und Eigeninitiative. Im Volksmund wurde daraus ein "Orden für Befehlsverweigerung".
Österreich hat eigentlich eine Tradition für Soldaten mit Verstand. - Gehabt.