Berlin ist eine merkwürdige Stadt. Laut, schnell, groß. Frühestens um 23:00 Uhr hat denn der Berliner überhaupt erst Zeit seiner Freizeit nach gehen zu können. Also sprich: vorher ist er in Diskos und auf Partys nicht anzutreffen.
5 Millionen Einwohner mit hoher Arbeitslosigkeit und vielen Menschen mit wenig Einkommen, lassen vermutlich auch keine frühere Freizeitplanung möglich. Beginnt man erst gegen 23:00 Uhr mit der Party, ist die Zeit kürzer bis zum Zapfenstreich und somit wird weniger Geld ausgegeben.
Ich finde die Taktik eigentlich gar nicht so schlecht. So hat man das Gefühl bis zum Schluß dabei gewesen zu sein und nichts verpasst zu haben.
Aber der eigentliche Charme des Berliners drückt sich an ganz anderer Stelle aus. „Im täglichen Kleinkram", um es mit den Worten des Berliner Schriftstellers Erich Kästners zu sagen.
Da frage ich beispielsweise einen Berliner nach dem Weg. Der schien zwar eigentlich keine Zeit zu haben, sah recht hektisch aus und die Kälte machte ihm offenbar auch zu schaffen, aber er blieb geduldig stehen, stellte seine Tasche zu Boden und fing an mir den Weg zu beschreiben.
Berliner nehmen es wörtlich. Das mit der Wegbeschreibung. Danach kennt man Berlin schon viel besser. Zunächst erfährt man, wo die gesuchte Strasse eigentlich anfängt. Und wo sie aufhört. Und das dazwischen halb Berlin liegt. Aber man selber bräuchte höchstens 30 Minuten, vermutlich weniger, bis man am Ziel ist. Da wurden akribisch sämtliche U-Bahnstationen aufgezählt, die man passieren wird und noch der ganz wichtige S-Bahn-Knotenpunkt. Woher der Platz, den man in der Nähe berührt, seinen Namen her hat, ist eine kleine Anekdote am Rand. Schließlich komme man dann an die Spree. Da müsse man noch drüber, natürlich über die Brücke, unter durch ging nicht (beim S-Bahn-Knotenpunkt war es ja doch umgekehrt). Und dann ist man endlich dort, wo man hinwolle. Bei meiner Statur würde ich aber vermutlich deutlich weniger als 30 Minuten brauchen.
Nach einer Stunde war ich dann endlich da, wo ich hin wollte. Das lag aber nicht an der schlechten Wegbeschreibung etwa, sondern weil es soviel unterwegs zu entdecken gab. Die vielen U-Bahn-Stationen, die natürlich alle auch vorhanden und in der richtigen Reihenfolge waren. Und der Platz in der nahen Ferne, dessen Namen ich natürlich überprüfen musste und an der Spree musste ich natürlich kurz verweilen ...
Die Berliner Taxifahrer sind auch ausgesprochen Hilfsbereit. Ich wusste ja nie wo ich war und die Hausnummern mussten auch erst gefunden werden. Da blieb stets ein kurzes Gespräch über dieses oder jenes. Zum Beispiel mit der serbischen Taxifahrerin, bei der klassische Musik aus dem Radio kam und mit der eine kurze, aber sehr freundliche Debatte über die unterschiedlichen Mentalitäten der Deutschen (und natürlich der Serben) in diesem unserem Land geführt wurde. Und das die eigentlich alle eine Bereicherung wären, wenn wir nicht ständig im Lokalpatriotismus verenden würden.
Der Berliner ist schon dufte. Hilfsbereitschaft mit diesem ganz eigenen Charme - das macht Berlin aus. Der Berliner kümmert sich um seine Gäste ...