Italien : Frankreich 5:3 i.E.
Das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 2006. Der Tag, an dem ich quasi in Bruchsal ankam. Genau genommen in Stutensee, eine Gemeinde um Bruchsal herum. Ein halbes Jahr zur Untermiete bei den lieben Baumwollseilern und im Oktober 2006 dann eine eigene Wohnung in Brusel, wie die Einheimischen ihre Stadt nennen.
Vom schönen Hannover in das schöne Bruchsal der Arbeit wegen und inzwischen selbstständiger Webentwickler. Vom Niedersachsen zum Badener. Eigentlich Baden-Württemberger, aber die Einheimischen haben mir eingetrichtert, dass die Württemberger hier nicht gern gesehen werden. Warum weiß niemand mehr - aber Traditionen müssen schließlich gepflegt werden.
Bruchsal liegt genau mittig zwischen Karlsruhe und Heidelberg und gehört zur Region Karlsruhe.
42.546 Einwohner, die sich allerdings auf drei Gebiete dieser Stadt verteilen, die jede für sich ein wenig Dorfcharakter hat. Bruchsal-Stadt, wo ich wohne, bemüht sich mit einer netten Innenstadt, Fußgängerzonen und so mancher Attraktivität einen Stadtcharakter zu erlangen, was phasenweise auch gut gelingt. Bruchsal-Stadt hat denn auch ca. 20.000 Einwohner.
Die CDU ist doppelt so stark wie die SPD und FDP, die beide gleichauf liegen.
Es gibt hier ein großes Schloss, ein Kindergartenmuseum, eine Elite-Universität, viel Grünflächen, wenig Kunst - das Wenige aber erfrischend gewagt, und schöne Landschaften.
Mehr zu Bruchsal findet sich hier: > www.bruchsal.de
Die nachfolgenden Artikel sind allesamt in der Online-Zeitung Bruchsal.org erschienen. Eine Online-Zeitung, die sehr kritisch berichtet und auch nicht dort aufhört, wo alle anderen aufhören!
> Bruchsal.org
Manchmal hupt es vor meiner Tür. Anfangs dachte ich, das mal wieder die Bruchsaler Fahrschulen versagt haben und ihren Fahrschülern vergessen hatten mitzuteilen, dass man in geschlossenen Ortschaften nicht hupt. Aber es war kein Auto, sondern der Kran gegenüber.
Warum er hupt weiß ich nicht. Anfangs dachte ich, er teilt den auf dem Dach des hiesigen Krankenhauses arbeitenden Menschen mit, das jetzt ein Kran nach oben kommt. Natürlich nicht der Kran persönlich, aber seine Last. Aber manchmal hievt der Kran auch Lasten ohne hupen nach oben. Deshalb denke ich, dass das Hupen den Sinn hat, das wir anwohnenden Bruchsaler nicht vergessen, dass schon seit über drei Jahren das Krankenhaus eine riesige Baustelle ist.
Als ich vor ca. drei Jahren beschloss endgültig nach Bruchsal zu ziehen, freute ich mich, eine schnuckelige Wohnung in ruhiger Wohngegend gefunden zu haben. Die Baustelle gegenüber, der neue Anbau am Bruchsaler Krankenhaus - damals wurde gerade die Baugrube ausgehoben - da dachte ich noch, das das Ganze in maximal einem dreiviertel Jahr, vielleicht ein Jahr mit der Gestaltung drumherum dauern würde.
Das des sich in Wirklichkeit um die Bruchsaler Jahrhundert-Baustelle mit diversen Schikanen für die Anwohner handeln würde, konnte ich damals nicht ahnen.
Nun komme ich auch aus dem schönen Hannover und muss manchmal feststellen, dass das schöne Bruchsal an einigen Stellen tiefste Provinz ist.
Da baut man einen Anbau und richtet das gefühlvolle halbrunde Treppenhaus mit ungeschützten Neonlichtern ein, die - im eingeschalteten Zustand - die Beleuchtung im eigenen Wohnzimmer überflüssig macht (schräg gegenüber, dritte Etage). Leider muss man auch im Sommer mit heruntergelassenen Rollläden schlafen, da der Vorhang das Neonlicht nicht abhält (Las Vegas in Bruchsal).
Nach dem wir schildbürgerstreichmäßig kurz vor Vollendung des neuen Gehweges rund ums neue Krankenhaus die Steine immer wieder aus dem Boden gerissen wurden, damit der Gehweg auf diese Weise mehrmals verlegt werden konnte - und die Anwohner mit wochenlangem Steineklopfen an den Rand des Wahnsinns geklopft wurden, wurde nach wenigen Wochen der Ruhe (von der Beleuchtung mal abgesehen), nun also ein Kran hinter der ehemaligen Dönerbude platziert, der uns mit seinem Hupen daran erinnert, dass das Jahrhundert nicht vorüber gehen kann.
In der Zwischenzeit wurde in der Bruchsaler Innenstadt C&A , Deichmann & Co neu aufgebaut, der Platz völlig neu gestaltet und mehrere Großereignisse rund ums Schloss abgehalten.
Das Krankenhaus aber baut und baut.
Und inzwischen habe ich erfahren, dass demnächst das Bettenhaus abgerissen wird.
Ich kann von meinem Balkon sehen, dass nicht wenige Leichenwagen das Krankenhaus anfahren, An manchen Tagen geben sie sich schon beinahe die Türklinke in die Hand.
Vielleicht hängt es ja mit der ständigen Lärmbelästigung zusammen.
Makaber? Ja. So wie eine Baustelle, die in anderen Städten und sogar nur wenige Meter weiter in Brusel innerhalb einer angemessenen Zeit beendet wird.
In diesem Beitrag (http://www.bruchsal.org/story/fahren-wir-zukunft-so-durch-bruchsal#comment-461) wird ordentlich in den Kommentaren über die Verkehrsplanung gewettert. Dabei ging es im eigentlichen Beitrag lediglich um eine technische Spielerei zur Fortbewegung. Verkehrsplanung und Durchführung scheint also etwas zu sein, was in Bruchsal auch anderen im Magen liegt. Drum will ich meinen Mageninhalt hier auch mal zum Besten geben. Schließlich war das ein Grund, warum ich mich hier als Autor überhaupt angemeldet habe:
Ich komme aus Hannover und wohne nun seit drei Jahren in Bruchsal, plus einem halben Jahr in Stutensee.
Hannover hat ca. 500.000 Einwohner (zum Vergleich: Karlsruhe hat ca. 285.000, Heidelberg ca. 150.000, Bruchsal ca. 43.000 Einwohner).
Hannover ist zwar gemessen an anderen Städten noch überschaubar, aber für unmittelbare Verhältnisse ganz schön groß.
Als Ex-Großstädter schaue ich einerseits den hiesigen Verkehrssituationen gelassen entgegen, andererseits bin ich doch immer wieder fassungslos, wieso eine Kleinstadt sinnvolle verkehrsplanerische Konzepte bedingungslos über den Haufen werfen kann. Ich denke, es liegt daran, dass noch nichts wirklich Schlimmes passiert ist.
Als Radfahrer in Bruchsal kann es nicht schaden, wenn man Großstadterfahrung hat! Den Autoverkehr kurzerhand ignorierend, weil das Risiko beim vorschriftsmäßigen Durchfahren des Stadttores zu riskant ist - Fußgänger, die direkt vom Schloss kommen, können auch leicht übersehen werden - kurzes Handzeichen, schneller Blick nach hinten - passt. Der Autofahrer hinter mir wird vermutlich ordentlich fluchen, weil er die Geschwindigkeit beim Durchfahren des Stadttores rausnehmen muss, da ich ihm den Weg versperre. Zum Ausgleich trete ich etwas heftiger in die Pedalen und überlege, ob ich den mit dem dicken weißen Strich auf der Fahrbahn abgetrennten Bereich kurz benutzen sollte, um dann bei den natürlichen und unerklärlichen Engpässen in der Schloßstraße wieder halsbrecherisch auf die Fahrbahn zu wechseln oder bleibe ich heute mal die ganze Strecke gleich auf der Fahrbahn?
Die Verkehrsführung beim Rendezvous habe ich tatsächlich noch nie begriffen! Ich mache das, was ich an dieser Stelle immer mache: ich tue so, als sei ich im Recht und gehe grimmig irgendwie über den Platz. Bislang haben alle auch immer brav angehalten...
Warum hier ein Huckel ist, der seit meinen drei Jahren als Bruchsaler so aussieht, als würde morgen hier eine neue Baustelle eröffnet, habe ich auch noch nicht in Erfahrung bringen können - ich glaube ich bin schon wieder auf dem Fußweg. Eigentlich ist das falsch - aber ich muss da irgendwie lang.
Die Straße, die am Bahnhof vorbei führt (ich weiß natürlich mal wieder nicht, wie sie heißt), meide ich, wenn möglich. Sie ist unschön zu befahren. Selbst Großstädtern befällt bei mancher Gefahrensituation ein verdammt ungutes Gefühl. Besonders wenn auf dieser Straße ein Bus von hinten kommt...
Ich freue mich insgeheim schon wieder auf die Rückfahrt - wenn ich auf dem viel zu schmalen Fußweg, der am Gefängnis vorbeiführt, die Omas an der Bushaltestelle wieder erschrecken kann. Andererseits bin ich immer heilfroh, dass niemand aus den Hofeinfahrten herauskommt. Das gleiche Problem ist auch, wenn man die Balthasar-Neumann-Straße entlangfährt. Wobei da, wie nahezu überall in Bruchsal, die Straßendecke von Felgenfressenden Löchern durchsiebt ist.
Zu Fuß ist aber auch nicht viel besser. Jetzt muss man nämlich auf die Kollegen mit den Fahrrädern aufpassen. Außerdem hat Bruchsal eine echte Großstadtampelanlage vor dem Krankenhaus postiert, welches eine reine Fußgängerschikane darstellt. Allerdings für Autofahrer auch keine echte Freude ist. Wer direkt vom Krankenhaus kommt und auf die B3 will, sollte sich ein Butterbrot mitnehmen - das könnte etwas dauern...
Bei der Kreuzung B3 / Forster Straße kann man sogar ein gemütliches Picknick veranstalten. Achtet man allerdings ein wenig auf den Verkehr und weiß, dass es bei Linksabbiegern in die Forster Straße nicht automatisch auch Linksabbieger in die Heidelberger Straße geben kann, kann man einige Ampeln ganz gemütlich überqueren, obwohl sie natürlich rot sind. Selbiges gilt natürlich auch für die anderen Richtungen.
Dabei kann man sowas heutzutage ganz gemütlich per Computer schalten. Erfodert aber etwas Planung...
Interessant ist auch immer wieder die Tunnelanlage in der Pfeilerstraße (inzwischen habe ich mal in den Stadtplan geschaut). Kommt man vom Wasserturm sieht man eigentlich erst, wenn es zu spät ist, dass man da gar nicht durchfahren darf.
Nun werden die Bruchsaler sagen, dass das doch jeder weiß - aber ich bin ja noch gar kein richtiger Bruchsaler.
Für Fahrräder ist diese Stadt nicht gebaut. Da aber erkennbar ist, dass einige Verkehrswege und Planungen neueren Datums sind, frage ich mich natürlich, ob die Stadtoberen eigentlich wissen, was Fahrräder sind?
Vielleicht müssen aber erst ein paar Kinder, ältere Menschen oder du und ich zu Tode kommen, bevor endlich was getan wird!